Auf den Spuren von Maxim Gorki in Deutschland

Auf den Spuren von Maxim Gorki in Deutschland

In diesem ereignisreichen Jahr 2018 wird der 150. Geburtstag von Maxim Gorki in seiner Geburtsstadt Nischni Nowgorod besonders stark gefeiert. Wir bringen zu diesem Anlass -neben diversen Veranstaltungen- hier digital tolle Beiträgen von der Linguistischen Universität Nischni Nowgorod mit, die sich mit Maxim Gorki beschäftigen und uns den Zugang zu seinem Leben und seinen Werken erleichtern können. Den Anfang macht ein Text der Dozentinnen Larissa Averkina und Maria Galochkina, die Gorkis politische Entwicklung und besonders seine vielfältigen Lebenswege in Deutschland wissenschaftlich aufarbeiten. Die Literaturangaben am Schluss bieten dabei Möglichkeiten zum weiterlesen und -forschen. Vielen Dank für diesen Beitrag mit vielen interessanten Erkenntnissen und viel Freude beim Lesen!

 

AUF DEN SPUREN VOM MAXIM GORKI IN DEUTSCHLAND

L.A. Averkina, M.A. Galochkina – Staatliche Linguistische Universität Nischni Nowgorod

Alexei Maksimowitsch Peschkow (Maxim Gorki ist ein Pseudonym) wurde am 16. März 1868 in Nischni Nowgorod geboren. „Er wurde von vielen als der ehrlichste, anständigste und fortschrittlichste russische Schriftsteller, als ein echter „Mann des Volkes“ angesehen, der in seinen Schöpfungen die Wahrheit des Lebens und der Literatur verband“ [В. Бондаренко, Е. Честнова, 139]. Seine Werke wie „Makar Tschudra“, „Foma Gordejew“, „Die Mutter“ und „Meine Universitäten“ wurden zu Klassikern der Weltliteratur.

Der Name M.G. und seine Werke sind auch in Deutschland gut bekannt. Am Vorabend der Russischen Revolution von 1905 leistete er den Sozialdemokraten eine starke finanzielle Unterstützung. Dann freundete er sich mit den Bolschewiken an. Israil Lasarewitsch Helphand (1867-1924), besser bekannt unter dem Pseudonym Alexander Parvus, der von 1891 bis 1905 in Deutschland lebte, traf sich mit dem großen russischen Schriftsteller 1902 in Sewastopol und bot ihm eine Zusammenarbeit mit dem Münchner Verlag „Marchlewski und K°“. In einem Jahr wurde der Vertrag abgeschlossen, nach dem Parvus die Werke von M. Gorki in Deutschland verbreiten und zur Produktion des Stückes „Nachtasyl“ von Gorki auf deutschen Theaterbühnen beitragen sollte [Л.Спиридонова]. Die Werke von M. Gorki und insbesondere sein Stück „Nachtasyl“ waren ein großer Erfolg in Deutschland. Im Aufsatz „W. I. Lenin“ von 1924 schreibt Gorki: “In vier Jahren wurde das Spiel in allen Theatern Deutschlands aufgeführt, allein in Berlin mehr als 500 Mal, Parvus scheint 100 000 Mark angesammelt zu haben“ [М.Горький, 431].

Maxim Gorki ist aber nicht nur als Literat, sondern auch als Politiker bekannt. Am 9. Januar 1905, unmittelbar nach den Ereignissen vom „Blutsonntag“, schrieb Gorki den Aufruf „An alle russischen Bürger und die öffentliche Meinung der europäischen Staaten“, in dem er das Verhalten der russischen hochrangigen Beamten am Vorabend des berüchtigten „Blutsonntag“ überführt und den Zaren Nikolaus II offen beschuldigt: „Wir beschuldigen auch ihn [Nikolaus II] des Mordes unschuldiger Menschen, die keine solchen Maßnahmen gegen sie trafen“ und fordert „alle Bürger Russlands zum sofortigen, vereinten und harten Kampf gegen die Alleinherrschaft“ auf [М.Горький, 15].

Nach der Revolution von 1917 wurden Maxim Gorkis Beziehungen zu den Bolschewiken jedoch angespannt. Maxim Gorki hörte auf, die Bolschewiken zu finanzieren. „Maxim Gorki nahm die Politik der Bolschewiken mit Vorsicht wahr und glaubte, dass revolutionäre Ideen mit humanen Methoden umgesetzt werden können und sollen“ [В.Бондаренко, Е.Честнова, 141]. Maxim Gorkis Schaffen ist von der Idee des Respekts für jede Person durchdrungen, er besingt den wahren Menschen. Für den Schriftsteller, der ein klares Verständnis der menschlichen Seele und des Leids hatte, war es unmöglich, die Gewalt zu unterstützen, die Bolschewiki nicht mieden.

„Gorki wollte keine Kompromisse mit der unangenehmen Wirklichkeit suchen und verließ 1921 seine Heimat formal für die Behandlung in Deutschland“ [В.Бондаренко, Е.Честнова, 141]. Auf Empfehlung Berliner Ärzte ging er in ein Sanatorium in Sankt Blasien im Schwarzwald.

Nach vier Monaten im Sanatorium St. Blasien im Schwarzwald zog Maxim Gorki im November 1921 nach Berlin, wo er schon lange vor seiner Ankunft bekannt war. In der Zeit von 1901 – 1905 wurden dort 100 Sammlungen seiner Erzählungen veröffentlicht; am 23. Januar 1903 fand in Berlin die Uraufführung seines Stückes „Nachtasyl“ statt [В.Сорокин, 252]. Das Stück war ein großer Erfolg in Deutschland, es wurde auch in Theatern in München und Dresden aufgeführt.

In Berlin setzte er seine literarische Tätigkeit fort. Hier wurden zum ersten Mal einige der bedeutendsten Werke der russischen realistischen Literatur des 20. Jahrhunderts veröffentlicht: seine autobiografische Schrift „Meine Universitäten“ und sein Roman „Das Werk der Artamonows“. In Berlin gab Maxim Gorki auch eine russischsprachige Zeitschrift „Bessedy“ (Unterhaltung) heraus. Der Autor betonte den unpolitischen Charakter der Ausgabe. Die Zeitschrift sollte in Deutschland erscheinen, doch die Redaktion der Zeitschrift sollte sich zum Teil in Russland in Petrograd befinden. Es wurde die Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftlern und Schriftstellern angestrebt. Im Jahr 1923 erließ die UdSSR aber ein Verbot der Verbreitung der Zeitschrift „Bessedy“ wegen des „konterrevolutionären Charakters“ der Zeitschrift [Р.Е.Гергилов, 273-276]. So wurde „Bessedy“ zu einer Zeitschrift für russische Emigranten im Ausland und trug zur Verbreitung der russischen Kultur in Deutschland bei. Ab 1924 gab es die Zeitschrift nicht mehr [Р.Е.Гергилов, 273-276]. Heute erinnert das Theater, das seinen Namen trägt, Maxim-Gorki-Theater, an den Aufenthalt des großen russischen Schriftstellers in Berlin.

1921 in Berlin verschlimmerte sich der Zustand des Schriftstellers und es wurde beschlossen, wieder in den Schwarzwald zurückzukehren, diesmal fiel aber die Wahl des Schriftstellers auf den Kurort Günterstal, der nahe der Universitätsstadt Freiburg liegt, die dem Schriftsteller gefiel. In Günterstahl wohnte Maxim Gorki von 1921 bis 1924, wo er mit der Arbeit an seinem letzten Roman „Das Werk der Artamonows“ begann [Klaus Hockenjos].

Maxim Gorki zog oft um, aber ganz gleich, wo er in Deutschland lebte, gab es immer viele Gäste in seinem Haus, blitzschnell bildete sich um ihn ein literarischer Kreis von Freunden und Bekannten, es kamen Gäste und Emigranten aus der Sowjetrussland.

Den Sommer 1922 verbrachte der Schriftsteller in der Kurstadt Heringsdorf. In Heringsdorf beendete er die Arbeit an der Geschichte „Meine Universitäten“ und an der Erzählung „Der Einsiedler“ [B. Сорокин, 253]. Zur Erinnerung an den Aufenthalt von Maxim Gorki in Heringsdorf wurde eine der Straßen der Stadt nach dem Schriftsteller benannt. Im Haus in Heringsdorf, wo der große Schriftsteller wohnte, wurde ein Museum zum Gedenken an M.A. Gorki errichtet. Das wertvollste Relikt dieses Museums ist ein Gästebuch mit der handschriftlichen Aufschrift von M.A. Gorki: „Und dennoch und trotz alledem werden die Menschen eines Tages wie Brüder leben“ („И не смотря ни на что, все-таки люди, со временем, будут жить как братья”). Diese Worte stehen auf Deutsch und Russisch an der Wand eines der Räume des Museums [Огонёк, 14] .

Im Jahr 1922 ließ sich Maxim Gorky in der für seine Thermalquellen bekannten Kurstadt Bad Saarow nieder, um seine Gesundheit zu verbessern. Russische Emigrantin Nina Berberova erinnert sich an das Leben von Maxim Gorki in Bad Saarow in ihrer Autobiographie „Meine Kursivschrift“: „Das Sanatorium war nur eine gewöhnliche Pension, die in einem Kiefernwald lag; der Arzt, der bei ihm ständig wohnte, kontrollierte Gorkis Zustand und beharrte auf einer Diät, aber vergebens: er hielt keine Diät ein. Zu dieser Jahreszeit gab es keine anderen Gäste im Haus und in beiden Stockwerken war das Leben sehr russisch, immer gab es Gäste. Gorki stand um acht auf, trank Kaffee und arbeitete vormittags. Der Zug aus Berlin brachte die Gäste zum Mittag“ [Н.Н. Берберова, 382-383]. Zur Erinnerung an den Aufenthalt des großen russischen Schriftstellers in der Stadt trägt eine der Schulen der Stadt seinen Namen (Maxim Gorki Schule Bad Saarow), neben ihr wurde 1968 eine Gedenkstele mit Gorkis Figur in voller Größe aufgestellt. In der Stadt wurde auch ein Obelisk errichtet. Neben dem Namen gibt es ein Schildchen mit dem Hinweis, dass hier ein berühmter russischer Schriftsteller Maxim Gorki lebte und arbeitete.

Ende 1923 ging Maxim Gorki nach Italien und kehrte 1931 nach Russland zurück, wo er von den sowjetischen Behörden herzlich begrüßt wurde. Nach seiner Rückkehr in die UdSSR erhielt er den Lenin-Orden (1933) und wurde 1934 zum Vorsitzenden der Union der sowjetischen Schriftsteller gewählt. Ihm wurde eine luxuriöse Villa in Moskau (heute ein Gorki-Museum), sowie eine Datscha in der Nähe von Moskau gewährt. Twerskaja Uliza (Straße) in Moskau wurde zu Ehren des Schriftstellers in Gorki Uliza (Straße) umbenannt, sowie seine Geburtsstadt Nischni Nowgorod in Gorki [10].

Auch heute, 150 Jahre nach der Geburt von Maxim Gorki, wird in Deutschland die Erinnerung an den russischen Schriftsteller respektiert und bewahrt. Dies wird durch die nach Maxim Gorki benannten Straßen in den Städten Magdeburg, Dresden, Köthen, Halle, Schkopau, Heringsdorf, Stralsund, Kyritz, Wolgast, Pirna, Radebeul und Rostock deutlich. In Heringsdorf kann man die Villa Irmgard besuchen, ein Museum, das dem Andenken des großen russischen Schriftstellers gewidmet ist, und in Berlin kann man ins Maxim-Gorki-Theater besuchen. Wir feiern den 150. Geburtstag des Schriftstellers, führen seine unsterblichen Stücke auf, die nach wie vor aktuell und von Menschen gewünscht sind, indem wir seine Werke lesen, gedenken wir in Ehren Maxim Gorkis, des großen russischen Schriftstellers, der in den Herzen der Menschen auf der ganzen Welt eine tiefe Spur hinterlassen hat, und, was noch wichtiger ist, eines großen Menschen, der „in sich, wenn möglich, alles plus noch etwas enthalten muss“1.

 

Literaturangaben

  1. В.Бондаренко, Е. С. Честнова. 100 великих русских эмигрантов – Вече, 2012 – 400 с.
  2. Л.Спиридонова, Горький и революция [Elektronische Ressource] – Литературная Газета – 29.03.2017 – №12 (6591) –http://www.lgz.ru/article/-12-6591-29-03-2017/gorkiy-i-revolyutsiya/ – (Zuletzt aufgerufen: 25.02.18)
  3. Максим Горький, Рассказы, очерки; воспоминания; пьесы – худож. лит., 1975 – 589 с.
  4. Максим Горький, Ранняя революционная публицистика – ОГИЗ, Гос. изд-во полит. лит-ры, 1938 – 145 с.
  5. В.В. Сорокина, Русский Берлин – Издательство Московского университета, 2003 – 365 с.
  6. Р.Е. Гергилов, Фрагменты литературной жизни «Русского Берлина» 1921-1933 годов//Вестник русской христианской гуманитарной академии – 2 том – 2015
  7. Klaus Hockenjos, Maxim Gorki in Günterstal [Elektronische Ressource] –http://www.ortsverein-guenterstal.de/guenterstal/schicksale-ereignisse/maxim-gorki-in-guenterstal.html – (Zuletzt aufgerufen: 27.02.18)
  8. Огонёк №25 – Издательство «Правда», июнь 1950 – 32 с.
  9. Н.Н. Берберова, Курсив мой – Издательство им. Сабашниковых, 2001 – 670 с.

 

Kommentar

  1. Ein Zitat aus Maxim Gorkis Roman „Das Leben des Klim Samgin“, dem größten Werk von Maxim Gorki. Er besteht aus vier Teilen. Der Roman wurde von 1925 bis zum Tod von Gorki im Jahr 1936 geschrieben. (Elektronische Ressource. URL: https://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%96%D0%B8%D0%B7%D0%BD%D1%8C_%D0%9A%D0%BB%D0%B8%D0%BC%D0%B0_%D0%A1%D0%B0%D0%BC%D0%B3%D0%B8%D0%BD%D0%B0)