In Nishnij Nowgorod vom 3. bis 10. Oktober 2013 – eine Reise, die verbindet

In Nishnij Nowgorod vom 3. bis 10. Oktober 2013 – eine Reise, die verbindet

Essens Partnerstadt Nishnij Nowgorod empfängt seine Gäste mit der Wärme und dem Leuchten goldener Herbsttage.

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Menschen sputen von einem Ort zum anderen, unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum vom Bild der gewohnten Eile der Essener. Doch schon taucht ein altes Sprichwort auf „тише едешь – дальше будешь“ – vielleicht dem Shakespearschen „Wer hastig läuft, der fällt: drum eile nur mit Weile“ entsprechend. Im russischen Denken doch eher ein Hinweis, das nahe Liegende nicht zu übergehen, um weiter zu kommen (Erklärung von Nikita, Student der Lopaschewski Universität).

Die ersten Eindrücke einer im tiefgreifenden Wandel steckenden Region werden bis zum Ende der Reise bleiben: Alte typisch russische Holzhäuschen stehen vor oder neben Hochhäusern, kleine Lädchen behaupten sich neben neuen, glänzenden Fassaden von Kaufhäusern und Banken. Der öffentliche Raum steckt voller Werbung – amüsant – anders. Modern und schick gekleidete Frauen stehen neben Männern mit Schapka und Wattejacke an der Bushaltestelle. Theater- und Kinoaufführungen finden in einladenden Prachtbauten aus alten Zeiten statt.

Die Reise trug offiziellen Charakter: Damit das Friedensdienstprogramm in Nishnij auch in Zukunft erfolgreich fortgeführt werden kann, müssen Kontakte zu russischen Mitstreitern gepflegt und besonders die vier jungen Deutschen, die sich entschlossen hatten, ein Jahr lang in Russland soziale Aufgaben zu erfüllen, in der Startphase unterstützt werden.

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Sie haben seit ca. sechs Wochen Land, Leute und ihre Wirkungsstätten mit mehr oder weniger Sprachkenntnissen erlebt. Die Erfahrungen fallen unterschiedlich aus.

Katerina und Amrei gefällt es in der Schule Nr. 39. Sie wurden erwartet und werden gebraucht. Paulina fühlt sich im Kindergarten verloren, die Leiterin war zu ihrer Ankunft noch im Urlaub, niemand schien „die Deutsche“ zu kennen, ihre mitgebrachte Freude am Vermitteln von Tanz und Bewegung zu wollen – aber die Kinder! Als die Essener Delegation dort eintraf, um die Umstände zu besprechen, begrüßten sie ihre „Palina“ stürmisch. Hannah arbeitet im Kinderheim, dort, wo die Verlassenen der Gesellschaft ein Zuhause finden und Zuwendung, was auf eine lebenswerte Zukunft hoffen lässt.

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Nachdem alle Einrichtungen gemeinsam besucht worden sind, steht fest: Der Mut und das Engagement der jungen Frauen wird sehr geschätzt, auch wenn man es bisher nicht immer so zum Ausdruck bringen konnte. Die Aufgaben sind Herausforderungen und stellen hohe Ansprüche an menschliches Anpassungs- und Handlungsvermögen. Aber alle bisherigen Absolventen dieser Schule des Lebens haben gewonnen und sind in Studium und Beruf erfolgreich vorangekommen. Denn wer kennt schon als Ausländer Russland in der Tiefe seiner Sorgen und der Seele…

Ja, man ist bereit, diese Sorgen aufgrund der Veränderungen in der Gesellschaft auch mitzuteilen, öffentlich darüber nachzudenken, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Sowohl die Bürgermeisterin Tatjana Bespalova als auch die in der Landesverwaltung für internationale Angelegenheiten zuständige Irina Negrebezkaja boten den Bürgern aus Essen und den Freiwilligen neben Offenherzigkeit auch Gelegenheit zum konstruktiven Meinungsaustausch.

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Und weil Russland bekannt ist für seine Kultur, seine Weiten, seine Gastfreundschaft Ausländern gegenüber, bedeuteten der Besuch des Heimat- und Töpfermuseums in Bogorodsk, des Klosters Oranki, des Rukowischnikow-Hauses in Nishnij, eines Konzertes im Konservatorium, eine Fahrt mit der Seilbahn hoch oben über der Wolga, Begegnungen mit Freunden und Fremden mehr als nur eine gewöhnliche Reise. Was bleibt, sind tiefgehende, zum Nachdenken anregende Erinnerungen, Stolz auf eine seit mehr als 20 Jahren gelebte Städtepartnerschaft über 2732 km hinweg und die Gewissheit, das Richtige zu tun.

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Barbara Lachhein