Bericht Projekt "Symbole"

Bericht Projekt „Symbole“

Im Oktober letzten Jahres machte sich eine Gruppe Essener Jugendlicher auf den Weg nach Nischni Nowgorod, um mit russischen Jugendlichen einen Austausch zum Thema „Erinnerungskultur /Symbole“ anlässlich von 70 Jahren Kriegsende zu erleben. Die Gesellschaft für Deutsch-Russische Begegnung Essen e.V. hat diese Projekt als Träger initiiert und begleitet, vielen Dank dafür ausdrücklich Horst Beger für sein Engagement und die Mühen. Unterstützend war auch unser Mitglied Anna Pfeiffer bei der Begegnungsreise dabei, vielen Dank!

Hagen Everding vom Jugendamt Essen hat einen sehr ausführlichen Bericht zu dieser Woche verfasst, den wir hier zur Verfügung stellen. Ein Reisetagebuch der teilnehmenden Jugendlichen finden Sie in Kürze hier.

Viel Freude beim Lesen!

Bericht über die deutsch-russische Jugendbegegnung zum Thema „Deutsche und Russische Symbole in Zeiten des Großen Vaterländischen Krieges und im Frieden“

Die russischen Kollegen und Freunde hatten für die Jugendbegegnung folgendes Programm geplant und uns kurzfristig per Mail darüber informiert:

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Dieses wurde dann im Wesentlichen auch so umgesetzt. Dabei wurde bei allen Programmpunkten jeweils ein Bezug zum Thema „Erinnerungskultur /Symbole“ hergestellt. Lediglich das geplante Treffen mit dem russischen Jugendtheaterkollektiv mit einer szenischen Aufführung nach dem Buch «die letzten Briefe aus Stalingrad» kam letztendlich nicht zustande.

29. September: Unsere deutsche Gruppe war durch die Ausschreibung über das Jugendwerk der AWO und den Stadtverband Essener Kinder und Jugendverbände sehr heterogen zusammengesetzt. Das Altersspektrum unserer Jugendlichen war von 16 – 26 Jahren recht weit gefasst. 4 von 8 Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Außerdem kamen sie aus 5 verschiedenen und z.T auch recht unterschiedlichen Jugendorganisationen. Bei zwei relativ kurzen Vorbereitungstreffen gab es erste, aber natürlich nicht ausreichende, Gelegenheit zum Kennenlernen.

Unsere Anreise erfolgte 10.45 Uhr mit Aeroflot nach Moskau, wo uns ein Freund vom Grünen Segel am Flughafen empfing, und dann von dort mit einem Bus weiter nach Nischni Nowgorod. Ankunft gegen 23.00 Uhr. Unter Betrachtung des Zeitfaktors erwies sich unsere Entscheidung für die Bus – Variante als Fehler: Sie war zwar kostenmäßig die günstigste Variante, zeitlich allerdings hätte der Zug Moskau – Nischni Nowgorod uns rund 5 Stunden früher ans Ziel gebracht. Andererseits haben unsere Jugendlichen so die Zeit der Busfahrt gehabt, um sich untereinander besser kennenzulernen und schon mal ein wenig als Gruppe zusammen zu wachsen.

Die Unterbringung erfolgte in einem zentral gelegenen Hostel.Am Abend gab es dann nur noch Abendessen und mit Rashit Khabibullin einen ersten gemeinsamen Durchgang durch das von den Russen geplante endgültige Programm.

30. September: Vormittags findet ein von der Dolmetscherin Tanja geführter Rundgang durch das alte Nishegoroder Zentrum und den Kreml. Schwerpunkt waren bereits dabei die dort vorhandenen Denkmäler wie u.a das Freiluft-Museum mit Kriegsgerät im Kreml. Ebenso ein Besuch des ewigen Feuers, mittlerweile von einer Ehrenformation des russischen Militärs „bewacht“. Dazu gibt es jeweils Erklärungen von Tanja, auch über die Rolle des ehemaligen Gorki als ehemals wichtiges Rüstungszentrum. Es folgt ein erster Besuch in den Räumen des Grünen Segel und wir treffen dort die teilnehmenden russische Jugendlichen. Es gibt erste zwanglose Gelegenheit sich zu beschnuppern und kennenzulernen.

Dann geht es nochmal gemeinsam durch den oberen Stadt – Teil von Nischni und bei einer Fahrt mit Linienbus und der neuen Seilbahn über die Wolga nach Bor. Dabei entwickelt sich ein erstes Gespür für den Ort und die Landschaft, und mit Englisch sowie Händen und Füßen die ersten Versuche der Jugendlichen, die Sprachbarriere zu überwinden.
Das wird beim gemeinsamen Essen in einem Restaurant sowie dem gemeinsamen Abend in den Räumen des Grünen Segel dann noch weiter fortgesetzt.
Meine Betreuerkollegin Anna Pfeiffer kontaktet am Nachmittag mit Rashit Khabibullin die Theatergruppe eines Jugendhauses, um die geplante szenische Aufführung zu besprechen.

1. Oktober: Morgens fährt die gesamte deutsch-russische Gruppe ca 2,5 Std. mit einem Bus nach Rustai im Naturschutzgebiet „Kerschenski“, wo das Grüne Segel über ein Haus verfügt. Hier informieren uns die russischen Freunde bei einer ausgedehnten Exkursion in das Naturschutzgebiet über ihr hauptsächliches Thema als Jugendorganisation, nämlich Naturschutz und Ökologie. Sie zeigen uns unter anderem das Besucherzentrum und einige Naturlehrpfade, die sie mitgeholfen haben herzurichten.

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Am späten Nachmittag ging es dann in einer großen Diskussionsrunde mit allen Teilnehmern um das Thema 70 Jahre Kriegsende und Symbole der Erinnerung. Als Einstieg werden drei Briefe aus dem Buch „die letzten Briefe aus Stalingrad“ auf deutsch und russisch vorgelesen. In der dann folgenden ausführlichen Diskussion über persönliche Berührungspunkte zum Krieg, über Vorurteile, über Gedenken, über Patriotismus etc wurde deutlich, dass der Umgang mit dem Gedenken und Erinnern an den 2. Weltkrieg sowohl auf russischer und deutscher Seite, als auch zwischen den jeweiligen Generationen, recht unterschiedlich ist. Unseren deutschen Jugendlichen ist dabei u.a. die mit dem Thema verbundene besondere Emotionalität der etwas älteren russischen Generation deutlich geworden. Als Abschluss der Diskussionsrunde wird uns in einem kurzen Film die relativ neue Erinnerungsbewegung in Russland vermittelt: hunderttausende von Menschen auf der Straße mit Fotos von Weltkriegsopfern.
Der Abend findet dann gemütlich am Lagerfeuer mit Gesprächen in kleineren Runden seinen späten Ausklang.

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2. Oktober: Der Vormittag wurde mit einer weiteren Excursion zum Fluß Kerschenez im Naturschurtzgebiet und anschließenden gemeinsamen teambildenden Spielen verbracht, die Sprachbarriere ist mittlerweile fast verschwunden, die Jugendlichen unterhalten sich viel untereinander, auf englisch, mit Händen und Füssen, oder auch mit Hilfe einiger Jugendlichen, die die jeweils andere Sprache ein wenig können.

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Mittags dann Abfahrt nach Nischni. Hier haben sich unsere Freunde allerdings zeitlich völlig verplant, wegen sehr starkem Verkehr mit Staus wurden aus der geplanten 3 stündigen eine 8 stündige Rückfahrt, so dass das für 15.00 Uhr geplante Treffen mit der Theatergruppe und die szenische Aufführung abgesagt werden musste. So verbrachten wir den Abend gemeinsam mit einem Spaziergang durch die Stadt, einem Kneipenbesuch und Gesprächen.

3. Oktober: Morgens um sieben Abfahrt zur rund 300 km nördlich am gleichnamigen Fluß gelegenen kleinen Stadt Wetluga. Das Grüne Segel kooperiert mit einer dortigen Schule. Empfang beim dortigen Bürgermeister in der Stadtverwaltung, der uns dann während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes in Wetluga persönlich begleitete.

10Von ihm bekamen wir u.a. Information, wie stark auch diese Stadt und ihre Menschen auf dem russischen Land vom 2. Weltkrieg betroffen war. Er begleitete uns zum Abschluss unseres Besuches dann zum noch nicht so alten Denkmal für die gefallenen Einwohner der Stadt, wo er uns auch einiges über den aktuellen Patriotismus und Heldenverehrung erzählte.

 

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Beim Besuch des Heimatmuseums der kleinen Stadt fiel mir auf, der ich persönlich das Museum aus einigen Besuchen Ende der 90er /Anfang der 2000 er Jahre schon kenne, dass der Bereich rund um den 2. Weltkrieg in den Jahren seit meinem letzten Besuch dort erheblich ausgeweitet worden ist. Bürgermeister und Museumsleiterin erklärten, dass das auf die Zuführung von Erinnerungsstücken aus der Bevölkerung und entsprechende Nachforschungen der Museumsleitung in den letzten Jahren zurückzuführen sei.

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Anschließend besuchten wir eine örtliche Schule. Im Schulmuseum wurde uns die Sammlung von Ausstellungsstücken zum Thema großer Vaterländischer Krieg und dem örtlichen Bezug dazu erläutert.

 

 

Anschließend kam es zu einem großen Treffen mit Schülern der oberen Schulklassen in der Aula. Dort wurde uns noch einmal das Projekt zur Erinnerungsarbeit erläutert, wir stellten unsere Gruppe vor und was die Einzelnen so unterschiedliches in ihren jeweiligen Organisationen treiben. Danach erlebten unsere Jugendlichen voller Erstaunen, wie sie von den russischen Schülerinnen und Schülern neugierig und voller Interesse in sich bildenden kleineren Gruppen mit Fragen bestürmt wurden und sofort Handy – Fotos ihren Weg auf die Instagram – Accounts fanden.

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Dann noch der Besuch einer weiteren Schule, wo uns deutlich wurde, dass es unterschiedliche Varianten des Umganges mit der Erinnerung gibt.

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Nach Rückkehr in Nischni Nowgorod am späten Abend waren einige froh, schnell ins Bett zu kommen, die anderen machten mit den russischen Freunden noch einen Streifzug in die nächtliche Umgebung.

4. Oktober: Nach dem Treffen beim Grünen Segel geht es zum Besuch eines Lyzeums, wo uns im Schulmuseum von drei Schülerinnen sehr ausführlich die aus einer Projektarbeit der Schülerinnen entstandene große Sammlung zum Thema erläutert wurde. Die Leiterin der Schule ermöglichte einen Rundgang durch die Klassen, deren Wände jeweils zu einem anderen Thema gestaltet sind und verabschiedete uns sehr herzlich vor dem am Schulgebäude befindlichen Denkmal.

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Danach begann die Zeit zur freien Verfügung, die die deutschen und russischen Jugendlichen gemeinsam und in eigener Regie mit essen gehen, einkaufen und Stadtbummel verbachten. Von Sprachbarriere keine Spur mehr.

Der Abschluss – Abend wurde dann in den Räumen des Grünen Segel gemeinsam mit vielen Gesprächen und einem Rückblick auf die Begegnung verbracht. Dann hieß es Abschied nehmen.

5. Oktober: Morgens ging es dann nach dem Abschied von unseren russischen Betreuern, die uns zum Bahnhof begleiteten, mit dem Schnellzug nach Moskau. Dort hatten wir dann noch Zeit für einen Bummel durch das Moskauer Zentrum mit Kreml, Moskwa, Gorki Park und Umgebung. Um 22.00 Uhr waren wir dann wieder in Düsseldorf und verabredeten uns zu einem Nachbereitungstreffen in Essen.

Fazit: Eine gelungene Jugendbegegnung, die von einem sehr guten Mix lebte zwischen der gemeinsamen Bearbeitung der thematischen Vorgabe und dem Kennen- und Verstehen- Lernen der jungen Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit.
Unsere deutsche Jugendgruppe ist zusammengewachsen, die TeilnehmerInnen sind mit korrigierten Vorurteilen und mehr Neugier zurückgekehrt. Sie haben eine Menge gelernt über Unterschiede, die Gemeinsamkeiten und die Lebensrealitäten der Gleichaltrigen in Russland. Die gefundenen Kontakte werden aktuell, wie auf dem Nachbereitungstreffen berichtet, von ihnen bis heute über das internet gepflegt und fortgesetzt.

Mich hat allerdings sehr irritiert, dass ich auf meine direkte Nachfrage von meinen russischen Kollegen vom Grünen Segel die Auskunft erhielt, dass sie keinerlei Finanzmittel zur Ausrichtung und Umsetzung dieser Jugendbegegnung erhalten haben! Sie haben also die gesamte Maßnahme aus ihren sehr geringen Eigenmitteln ohne öffentliche Förderung finanziert!
Ich dachte eigentlich, dass bei der Finanzierung dieses Projektes auch Fördermittel für die russische Seite vorgesehen, eingeplant und bewilligt waren. Es wäre also zu klären, warum das Grüne Segel entweder gar nicht wusste, dass eine Förderung möglich war, oder aus welchem Grund sie keine Mittel bekommen haben.

Wir überlegen hier in Essen derzeit, ob und wie wir eine Rückbegegnung in 2017 zur Fortsetzung des Themas in Essen ermöglichen können und welche Art der Finanzierung dafür möglich ist.

gez. Hagen Everding; Stadtverband Essener Kinder-und Jugendverbände